Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. März 2023
TO 7: Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler zum Europäischen Rat am 23./24. März 2023
Dr. Nina Scheer (SPD):
Dr. Nina Scheer (SPD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es ist schon erstaunlich – das sage ich nicht zum ersten Mal hier am Rednerpult; aber ich möchte alle darauf hinweisen, die die Debatte zu diesem Thema verfolgen -, dass die CDU/CSU immer wieder glauben machen möchte, dass sie der Antreiber der Energiewende und des Transformationsprozesses wäre. Das Gegenteil entspricht den Fakten und ist richtig. Dazu gibt es eine Handvoll Beispiele, von denen ich nur ein paar nennen möchte.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Sie haben die Diskussion über Abstände zu Windenergieanlagen im Land erst angestoßen. Sie haben unter Schwarz-Gelb den damaligen 52-Gigawatt-Deckel für Photovoltaikanlagen eingeführt. Diesen haben wir zum Glück rechtzeitig wieder abschaffen können, bevor er vor zwei Jahren gegriffen hätte. Das war tatsächlich noch in der Koalition mit Ihnen. Aber es hat uns anderthalb Jahre härteste Arbeit in der letzten Legislaturperiode gekostet, dieses wirklich völlig rückwärtsgewandte Werk der Gesetzgebung unter Schwarz-Gelb, nämlich diesen 52-Gigawatt-Deckel für die Photovoltaik, wieder abzuschaffen. Sie haben damit in der Photovoltaikindustrie in Deutschland tatsächlich Arbeitsplatzverluste im Zehntausenderbereich verursacht. Zehntausende Arbeitsplätze sind aufgrund von genau solchen Begrenzungsfaktoren verloren gegangen, von genau solchen regulativen Elementen, die dazu geführt haben, dass die Industrie der erneuerbaren Energien nach einem anfänglichen Hochlauf auf Basis des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dann aber keine Perspektive mehr gesehen hat, sich von China hat aufkaufen lassen und abgewandert ist. Und der Wirtschaftsminister – das war damals Herr Rösler – hat dabei tatenlos zugesehen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen ist es schon etwas wohlfeil, wenn es jetzt genau aus diesen Reihen heißt, dass hier nichts getan würde, dass hier Stillstand bestünde, dass hier Deindustrialisierung stattfände. Das ist wirklich zynisch, und damit vernebeln Sie einfach die Fakten in dieser Situation.
Aktuell geht es darum – das ist auch Gegenstand des Europäischen Rates -, dass in dreierlei Hinsicht große Schritte nach vorne gegangen werden, um genau diese Fehler zu korrigieren, die in Europa passiert sind. Es geht darum, in diesen Zukunftstechnologien wieder resilient zu werden und die Pflöcke im beihilferechtlichen EU-Rahmen in dem Bemühen einzuschlagen, einen bestimmten Anteil der Produktion nach Europa zurückzuholen. Dafür hat die Europäische Kommission Zielvorgaben gesetzt. Das wird jetzt von manchen Medien schon wieder hämisch als „Quotengesetzgebung“ tituliert. Das muss man so nicht sehen, wenn man weiß, dass wir im Zusammenhang mit der Photovoltaikindustrie zu über 90 Prozent von China abhängig sind. Dann ist es doch schon mal ein Fortschritt, wenn die Zielvorgaben – wie gesagt: Zielvorgaben – der Europäischen Kommission lauten, bis 2030 immerhin 40 Prozent wieder in Europa herzustellen.
(Beifall bei der SPD)
Das können wir in Deutschland übrigens durchaus noch übertrumpfen.
Für die Batterietechnologie ist vorgesehen, sogar einen Anteil von 85 Prozent an der Fertigung in Europa zu erreichen, der gleiche Anteil für Windenergie und für Wärmepumpen von 60 Prozent. Das sind die Zielvorgaben, das würde ich nicht als Quoten schlechtreden.
Abschließend möchte ich noch sagen: Die zwei weiteren Punkte sind, wie gesagt, Beihilfefragen und das Ziel, dass man kritische Rohstoffe wieder ins Land holt. Meine letzte Aussage: Wir sind aber bei der Wahl des Energiemixes frei; jedes Mitgliedsland kann hier selbst entscheiden. Deswegen müssen wir uns auch nicht vorschreiben lassen, Atomenergie mit erneuerbaren Energien gleichzusetzen. Da müssen wir in Europa im Sinne einer Energiewende hart bleiben.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)