Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode – 31. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. April 2022
Zusatzpunkt 7: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU: Von der Bundesregierung angekündigte Kehrtwende bei Energiepreisen so schnell wie möglich richtig und unbürokratisch umsetzen
Dr. Nina Scheer (SPD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es immer wieder erschreckend, mit welchen platten Versuchen
(Nina Warken [CDU/CSU]: Hä?)
Sie aus den CDU/CSU-Reihen heraus Anträge vorlegen und sie überschreiben, das sei jetzt eben irgendetwas Neues, was wir nachgemacht hätten. Meistens lässt sich durch Tweets,
(Nina Warken [CDU/CSU]: Aktuelle Stunde zur Energiepolitik!)
durch Pressemitteilungen ziemlich schnell nachvollziehen, dass Sie mit ziemlicher Sicherheit und Regelmäßigkeit immer ein, zwei Monate nach hier schon eingebrachten Entwürfen oder jedenfalls schon mit Eckpunkten versehenen Entwürfen Vorschläge unterbreiten. Insofern wäre es, wenn die Situation, in der wir uns befinden, angesichts der Dringlichkeit, Entlastungen zu schaffen, nicht so tragisch wäre, wirklich ein Treppenwitz, was Sie aus Ihren Reihen heraus immer wieder auf die Tagesordnung setzen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und dazu ist Ihnen dann auch keine Aktuelle Stunde zu schade.
Ich möchte einfach noch mal – das ist vielleicht eine kleine Philosophiestunde – einfach auf der Zunge zergehen lassen, welchen Titel Sie gewählt haben: „Von der Bundesregierung angekündigte Kehrtwende bei Energiepreisen so schnell wie möglich richtig und unbürokratisch umsetzen.“
Was heißt denn eigentlich „angekündigte Kehrtwende“? Ich wüsste jetzt nicht, dass wir irgendeine Kehrtwende angekündigt haben, weil es ja schließlich eine Entwicklung ist, die sich keiner ausgesucht hat. – Das zum einen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Johannes Steiniger [CDU/ CSU]: Sie haben unsere Vorschläge abgelehnt!)
Es geht also darum, dass man Dinge beklagt, die sich aus verschiedensten Gründen ereignen, einmal, weil wir eine Coronapandemie hatten und immer noch haben, aber auch, weil wir enorme Einbrüche in der Wirtschaft hatten und deswegen auch Reduktionen in der Energienachfrage da waren. Darauf haben sich die Märkte eingestellt. Dann sind wir wieder in eine Wachstumsphase zurückgekommen. Darauf mussten die Märkte erst mal reagieren, und daher haben wir auch Effekte an den Märkten und Preissteigerungen gehabt. Also wo, bitte schön, möchten Sie eigentlich das Wording „Kehrtwende“ anknüpfen? Es ist mir nicht klar.
Insofern: Angekündigt haben wir schon gar nichts. Eine Kehrtwende ist auch nicht in dieser Phase zu erkennen, weil wir schließlich handeln. Wir machen Entlastungspakete dort, wo sie zielgerichtet hingehören
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Zu wenig! Zu bürokratisch! Zu spät!)
und wo wir es auch für sinnvoll halten.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Zudem unterstellen Sie mit diesem Wording, dass Energiepreise irgendwas Garantiertes seien, irgendetwas vom Himmel Gefallenes. Wenn es im Zusammenhang mit den fossilen Energiemärkten steht, ist es besonders irritierend, dass Sie in der heutigen Zeit immer noch meinen, dass man von garantierten Energiepreisen im fossilen Energiesystem ausgehen könnte. Das ist also auch da schon mal wieder ein grobes Missverständnis, was Sie schon mit dem Titel der Aktuellen Stunde in die Diskussion bringen.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wer hat das denn gesagt?)
Zudem wollen Sie es „richtig“ und „unbürokratisch“ umsetzen.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Richtig!)
„Richtig.“ – Ja, was ist denn in der Politik richtig, wenn es Ereignisse gibt, für die es keine Schablone gibt? Es geht doch darum, die Situation zu analysieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Jedenfalls keine Bürokratiekosten!)
Und wenn Sie einfach in diesen Raum stellen, Sie wollen etwas richtig machen, dann merke ich schon an dem Wording, dass Sie sich überhaupt nicht mit der Analyse auseinandergesetzt haben. Denn sonst würden Sie gar nicht zu diesem seltsamen, schwammigen und auch wirklich wenig subsumierbaren Begriff in diesem Titel gelangen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
„Unbürokratisch“ ist ja auch immer so ein Kampfbegriff. Wir wollen es ja schließlich auch gerecht machen. Wenn man etwas gerecht ausgestalten will, dann muss man auch Einzelfallgerechtigkeit schaffen. Das ist aber bei generellen Regeln, wie sie nun mal Gesetze mit sich bringen, und dann, wenn man es schnell auf den Weg bringen möchte, gar nicht so einfach.
Deswegen haben wir mit zwei Entlastungspaketen, sehr gut austariert, im Umfang von über 30 Milliarden Euro, die das insgesamt umfasst, verschiedene Gruppierungen in der Bevölkerung fokussiert und zielgenau geschaut: Wie kann man da entlasten? Beim Heizkostenzuschuss, im Energiebereich haben wir entlastet, wir haben mit dem Kinderbonus entlastet. Einiges ist schon umgesetzt, einiges ist auf dem Weg.
Ich habe eine lange Liste, die sich in 53 Sekunden jetzt gar nicht runterlesen lässt. Aber die kennen Sie ja alle; sie sind verbrieft mit den zwei Entlastungspaketen, die wir haben. Heute machen wir noch einen weiteren Schritt mit der EEG-Umlagenabsenkung, die wir noch beschließen werden. Auch die wird eine Entlastung bringen. Sie ist zugleich mit Blick auf die Energiewende wichtig, weil wir da einen Anreiz für den Einbau von Wärmepumpen kriegen, die damit attraktiver werden. Das ist also auch zielgerichtet in dieser Hinsicht.
Wir versuchen und haben es mit den Entlastungspaketen auch geschafft, einmal Schnelligkeit hinzubekommen, zugleich aber auch Gerechtigkeit, weil hier ja nicht die Großverdiener entlastet werden müssen; vielmehr sind Maßnahmen enthalten, die natürlich dort ansetzen, wo auch besondere Bedarfe sind. Aber da muss man die auch analysieren. Analyse bedeutet auch Bürokratie. Aber die muss einem im Rechtsstaat, in dem es gerecht zugehen soll, auch etwas wert sein. In diesem Sinne sind auch die Entlastungspakete zu verstehen.
Also ist der Titel der von Ihnen beantragten Aktuellen Stunde und ist das, was Sie damit verfolgen, fehlgeleitet.
Vielleicht darf ich mit folgender Bemerkung schließen. Sie haben ja gestern in der CSU versucht, die 10-H-Re-gelung etwas abzumildern. Sie stehen aber nach wie vor zu dieser 10-H-Regelung. Sie haben immer noch nicht kapiert, –
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollegin.
Dr. Nina Scheer (SPD):
– dass die energiepolitischen Erkennungsmerkmale Ihrer Fraktion nur eines versprechen, nämlich dass sie eine Verteuerungsgarantie sind. Und damit möchte ich schließen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Zur Rede in der Mediathek des Deutschen Bundestags